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Ulrich Greiner

Kafka ganz nah

Zum zweiten Band der großartigen Biografie von Reiner Stach

Entweder sitzen Sie hier und lesen diesen Aufsatz oder nicht. Entweder ist es zehn Uhr vormittags oder nicht. Entweder ist zwei mal zwei vier oder nicht. – Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten (tertium non datur) gehört zu den Grundregeln klassischer Logik. Ohne ihn könnten wir weder denken noch handeln. In der Philosophie, in der höheren Mathematik aber (von der Politik gar nicht zu reden) gilt er keineswegs unumschränkt, das wissen die Kenner; und in der Literatur gilt er ebenfalls nicht, das wissen alle Kafka-Leser.

Im neunten Kapitel des Process-Romans soll der Bankangestellte Josef K. einen italienischen Geschäftsfreund durch den Dom der Stadt führen. Sie sind um zehn Uhr vormittags verabredet, K. ist aufgehalten worden, knapp mit der Zeit, äußerst nervös, und als er endlich den Dom erreicht, heißt es: »K. war pünktlich gekommen, gerade hatte es elf geschlagen, der Italiener war aber noch nicht hier.« K. geht eine Weile in der Kirche umher, betrachtet die Altäre, wartet auf den Italiener, blickt schließlich auf die Uhr: »Es war elf.« Irgendetwas hat sich verschoben. Steht die Zeit still, läuft sie rückwärts? Später, als Josef K. sich mit dem Gefängniskaplan, der plötzlich aus einer der Säulen hervortritt, in einen langen Disput über seinen Prozess verstrickt, ist es überraschend völlig dunkel geworden: »Das war kein trüber Tag mehr, das war schon tiefe Nacht.«

Kafkas Helden klammern sich umso mehr an die normale Logik, je mehr die Welt, in die sie halb widerwillig, halb fasziniert hineingeraten, die Entweder-oder-Regel aufhebt. K. ist, wie es gleich im ersten Satz heißt, verhaftet, aber nichts in seinem Alltag scheint sich dadurch zu ändern. Das Gericht, zu dem er gerufen wird, tagt auf einem Dachboden, der Abstellkammer und zugleich Gerichtssaal ist. Aber handelt es sich überhaupt um ein Gericht? Und der andere K. (im Schloss--Roman) versucht ständig, ins Schloss vorzudringen, obwohl das Dorfgasthaus, wo er ein erbärmliches Nacht-lager findet, Teil des Schlosses ist, wie man ihm sagt. Das Schloss ist gleichzeitig überall und andererseits nirgendwo. Auch scheint K.s Behauptung, er sei als Landvermesser berufen, eine dreiste Erfindung. Andererseits kann man den einstweiligen Bescheid der gräflichen Behörde so auffassen, als sei er nun als solcher anerkannt.

Der Schriftsteller Louis Begley macht in seinem lesenswerten und besonders für Kafka-Novizen hilfreichen Buch (Die ungeheure Welt, die ich im Kopf habe, Suhrkamp 2008) darauf aufmerksam, dass der Leser, wenn er sich denn in diese gespenstische Welt hineinbegibt, gar nicht anders kann, als sie für wirklich zu nehmen, denn es gibt keinen normalen Erzähler, der einen Raum zwischen sich selber und dem Erzählten zuließe, es gibt keine Brechungen, keine zweite Ebene, sodass wir immer tiefer eintauchen in eine Logik, die Menschenmaß übersteigt. »Richtiges Auffassen einer Sache und Missverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.« Das sagt der Gefängniskaplan zu Josef K., als sie über die Parabel Vor dem Gesetz diskutieren, und je mehr man darüber nachdenkt, was das heißt, umso mehr schwirrt einem der Kopf. Wendet man den Satz auf ihn selber an, so folgt daraus, dass man ihn richtig und zugleich falsch verstehen kann. Er ist sowohl sinnvoll als auch sinnlos.

Dem entspricht, dass der Ort, etwa das Schloss oder das Gericht, »weder ein bestimmter Ort ist noch ein Nicht-Ort, sondern ein entorteter Ort, eine räumliche Lage, die jeden bestimmten Platz ins Wanken und Gleiten bringt«. Das bemerkt der Literaturwissenschaftler Joseph Vogl in seiner scharfsinnigen Schrift Über das Zaudern (Diaphanes 2007). Man kann dies mit Gegenständen vergleichen, die auf dem Meer schwimmen (Boote, Treibholz) und dabei in einer bestimmten Relation zueinander stehen, ihren Ort aber ständig verändern. Niemandem, der je aus einem Traum erwacht ist, wo verschiedene Orte und verschiedene Menschen derselbe Ort und derselbe Mensch sein können, sind diese Bilder fremd. Das ist auch der Grund, weshalb manche Leser Kafka nicht gut ertragen. Es ist das Leben zuweilen labyrinthisch genug, da können einem Kafkas Labyrinthe leicht zu viel werden.

Joseph Vogl spricht von einer »Schwelle«, denn die Schwelle ist der Ort auf der Grenze, ist weder drinnen noch draußen, weder hier noch dort. Wer auf der Schwelle verharrt, der zaudert, er verharrt in einer »energischen Inaktivität«, wie Vogl sagt. Das Zaudern konstituiert ein asymmetrisches Verhältnis zur Zeit und zur Geschichte: »Sofern nämlich Handeln nach Nietzsche sich im Vergessen vollzieht und zugleich Geschichte hervorbringt, so durchbricht sein Schatten, das Zaudern ebendiese Geschichte, es tritt aus dem Zusammenhang he-raus, um eine spezifische Erinnerung zu beschwören, ein Gedächtnis des Nicht-Gewesenen, die Erinnerung an ein Vergangenes, das niemals Gegenwart war.«

Das ist Kafkas Welt. Sein Prosafragment Der große Schwimmer (1920) erzählt von einem Sportler, der in seinem Heimatort wegen eines olympischen Siegs geehrt wird, aber in seiner Dankes-rede von sich behauptet, er könne gar nicht schwimmen. Im Oktober desselben Jahres schreibt Kafka in sein Tagebuch: »Ich kann schwimmen wie die andern, nur habe ich ein besseres Gedächtnis als die andern, ich habe das einstige Nicht-schwimmen-können nicht vergessen. Da ich es aber nicht vergessen habe, hilft mir das Schwimmen-können nichts und ich kann doch nicht schwimmen.«

Das Zaudern bestimmt nicht nur Kafkas Texte, es bestimmte auch sein ganzes Leben. Allein die Geschichte seiner Verlobungen und Entlobungen ist legendär. Einmal hat er einen Heiratsversuch bis fast zum Ende getrieben. Das Aufgebot war für den übernächsten Tag bestellt (Ende Oktober 1919), aber plötzlich war die versprochene Wohnung doch schon vergeben, und Kafka sagte die Heirat ab. Er war damals 36 Jahre alt, und Julie Wohryzek, die er in dem unweit Prags gelegenen Kurort Schelesen kennengelernt hatte, war 28. Sie stammte aus einfachen Verhältnissen, und als Kafkas Vater von den Heiratsplänen erfuhr, muss er vor Zorn getobt haben.

Reiner Stach erzählt in seiner Biografie, dass Kafkas Vater von einem Detektiv Material über ihren angeblich unsittlichen Lebenswandel zusammentragen ließ, um die Eheschließung zu verhindern. Eine schmutzige Geschichte, und Stach weist darauf hin, dass dies eines der vielen Beispiele dafür ist, wie Kafka in seinen literarischen Texten spätere Ereignisse prophetisch vorwegnimmt. In der Erzählung Das Urteil (1912) attackiert der Vater die Verlobungspläne seines Sohnes mit obszönen Bemerkungen. Das Prosastück Ein Hungerkünstler (1922) erscheint wie eine Vorausbeschreibung des eigenen Todes. Diese intuitiv-prognostische Seite Kafkas betrifft auch das Politische. Die 1914 geschriebene Erzählung In der Strafkolonie wirkt wie ein Albtraum, der die Barbarei des Ersten Weltkrieges vorausträumt, und der Process wie eine Vorschau der stalinistischen Selbstkritik. Sicherlich sind das einseitige Lesarten, aber gespenstisch ist es schon, wie deutlich Kafkas scheinbar zeitferne Texte den Geist der Zeit erahnen und bloßlegen.

Es ist deshalb geboten, Leben und Werk aufeinander zu beziehen und im zeithistorischen Zusammenhang zu sehen. Dafür brauchen wir Biografien. Die bereits 2005 erschienene große Darstellung von Peter-André Alt Franz Kafka – Der ewige Sohn, die jetzt anlässlich des 125. Geburtstages in einer preiswerten Broschur neu aufgelegt wurde, bietet eine detaillierte Recherche aller Lebensumstände, sie wirft notwendige Seitenblicke auf die soziale und politische Situation, und sie betrachtet das Werk mit einem Interesse, dem man die Beschlagenheit in allen literaturtheoretischen Fragen anmerkt. Das macht die Lektüre gelegentlich anstrengend. Alt hält Distanz zu Kafka, was man als Vorzug betrachten kann, aber seine Sprache ist überaus sachlich und etwas steif, sodass man dieses eindrucksvolle Werk eher dazu benutzen wird, etwas nachzuschlagen, als es in einem Zug zu lesen.

Das ist bei Reiner Stach anders. Man liest seine Kafka-Biografie atemlos wie einen Roman. Sie ist auf drei Bände angelegt. Der erste Band über Herkunft und Jugend steht noch aus, weil Stach auf Einblicke in den Nachlass von Max Brod hofft, Kafkas engstem Freund. Der zweite Band, Die Jahre der Entscheidungen, 2002 erschienen, behandelt die Zeit von 1910 bis 1915, der dritte, eben publizierte Band Die Jahre der Erkenntnis die Zeit bis zu Kafkas Tod 1924. Am Ende werden wir wohl an die 2000 Seiten haben.

Reiner Stach nähert sich seinem Autor, so paradox das klingt, mit einem liebenden, zudringlichen Respekt. Er will keine Distanz, er will Kafka so gut und genau verstehen, wie man einen anderen Menschen überhaupt zu verstehen vermag, und man kann sogar sagen, dass dieser Biograf Kafka besser versteht, als der sich selber verstehen konnte, denn Stach nutzt den historischen Abstand, studiert zahllose Quellen und Zeugnisse und hat alles gleichzeitig zur Hand, was sich für den Porträtierten auf die ganze Strecke seines Lebens verteilte, die Briefe, die Texte, die Tagebücher und vieles mehr.

Das heißt nun nicht, Stach habe das Rätsel Kafka gelöst, denn dies zu glauben oder gar vorzutäuschen, ist er viel zu klug. Aber er kommt ihm so nahe wie keiner zuvor. Er erzählt, als wäre er selber dabei gewesen, schildert zum Beispiel Kafkas Blutsturz am 11. August 1917 um vier Uhr morgens. Das zu lesen ist wahrhaft beklemmend. Ebenso eindringlich erzählt er von der anfänglichen kollektiven Kriegsbegeisterung, von der Spanischen Grippe, die etwa 20 Millionen Menschen dahinraffte (und die Kafkas wahrscheinlich fast verheilte Lungentuberkulose wieder ausbrechen und unheilbar werden ließ), von der wachsenden Hungersnot, vom Zusammenbruch der Monarchie und vom Erwachen des tschechischen Nationalismus samt den damit verbundenen antisemitischen Affekten.

Natürlich stellt sich die Frage, ob ein Biograf auf diese schriftstellerische Weise erzählen soll oder darf, selbst dann, wenn wir ihm glauben, jeder Satz sei belegbar. Andererseits: Jeder Biograf erzählt, auch wenn er vorgibt, es nicht zu tun. Am Ende gilt das Ergebnis, und keiner hat bisher so suggestiv und verständnisvoll, in einer so schönen und klaren Sprache über Kafka geschrieben wie Reiner Stach.

Und doch bleibt ein Unbehagen. Es richtet sich nicht gegen Stach, sondern gegen den Biografismus. Ein Beispiel: Stach berichtet von Kafkas Affäre mit Milena Pollak, kommt später auf das Schloss zu sprechen und sagt, Kafka habe, als er die Szene im Gasthaus Herrenhof niederschrieb, wo K. sich mit der Schankkellnerin Frieda hinterm Tresen wälzt, an Milena gedacht, denn das Café in Wien, wo Milena sich oftmals aufhielt, habe ebenfalls Herrenhof geheißen. Im selben Atemzug räumt er ein, dass Frieda als eine ärmliche, unattraktive Erscheinung gezeichnet wird, während Milena eine Schönheit mit großer sinnlicher Ausstrahlung gewesen sein muss. Wozu dann der Hinweis auf Milena?

Stach ist sich der Gefahr des Biografismus, also des Kurzschlusses zwischen Leben und Werk, völlig bewusst und erliegt ihr dennoch nicht selten. Es ist schön, wie er Kafkas Schreibklausur im Goldmachergässchen oben auf dem Hradschin schildert, die Kälte des Winters 1916/17 und den kriegsbedingten Mangel an Kohlen, sodass eine der schönsten Erzählungen Kafkas (Der Kübelreiter) einen realen Hintergrund kriegt. Aber haben wir sie damit besser verstanden?

Es ist wahr, dass wir als Leser umso mehr über einen Autor und sein Leben wissen wollen, je mehr wir sein Werk lieben. Das ist unvermeidlich so, aber ambivalent. Zwar kann uns die Kenntnis des Lebens das Werk näherbringen, und hier leistet Stach Außerordentliches, aber sie kann auch den Effekt haben, uns den geliebten Autor so nahe zu bringen, dass er uns fremd wird. Es war nicht schön, wie schnell und herzlos (wenn auch nicht bedenkenlos) Kafka die eben noch geliebte Julie zugunsten von Milena abservierte. Es war unheimlich, dass Kafka, ebenso wie Millionen anderer, unbedingt in den Krieg ziehen wollte, als wäre der Ausnahmefall die Rettung vor dem Gewöhnlichen, als wäre die Todesgefahr eine Lösung all seiner Probleme mit dem Schreiben und mit dem Büroalltag, mit den Eltern und mit Felice.

Wieder muss man sagen, dass sich solch zweifelnde Fragen nur stellen, weil Stach ein so großartiger Biograf ist. Wie er die letzten, von der Todeskrankheit gezeichneten Monate schildert, die hingebungsvoll dienende Liebe von Dora Diamant (da denkt man, Kafka habe alles in allem mit Frauen doch auch Glück gehabt), dies wird man nicht vergessen. Auch ist es wahr, dass wir einen Dichter erst dann wirklich verstehen, wenn wir auch seine unangenehmen, trivialen Seiten kennen. Und doch ist es nicht der Jurist Kafka, der uns interessiert, nicht der Schwimmer und leidenschaftliche Gärtner, nicht der Masochist und Entlobungskünstler – was uns fasziniert und quält, sind seine Texte.

Mit diesen Texten allerdings hat es eine besondere Bewandtnis. Nur den kleinsten Teil davon hat Kafka selber zum Druck freigegeben. Der Freund und Schriftsteller Max Brod, in dessen Besitz sich die meisten Manuskripte befanden, hat sich mit Recht über Kafkas Wunsch, alles solle verbrannt werden, hinweggesetzt und mit der Herausgabe der Romane und erzählenden Texte Kafkas posthumen Weltruhm begründet. Wer nun die überaus verdienstvolle Kafka-Ausgabe des Frankfurter Stroemfeld Verlags in die Hand nimmt, sieht nicht die von Brod zum Teil mit eigenen Überschriften versehenen Prosastücke, sondern das Faksimile sowie dessen getreuliche Abschrift der sogenannten Oxforder Oktavhefte (sie heißen so, weil sie in der Bodleian Library in Oxford liegen), er sieht, dass Kafka in diese schülerhaft kleinen Hefte der Reihe nach alles hineingeschrieben hat, was er aufzeichnen wollte: Tagebuchnotizen, Anfänge von Erzählungen, Briefentwürfe und auch mehr oder weniger abgeschlossene lange Prosastücke.

Das zu studieren ist für den Wissenschaftler ein unschätzbarer Gewinn und für den Laienleser interessant. Der Rückschluss aber, alles von Kafka Geschriebene (ein Gedanke, den die Ausgabe nahelegt und dem Stach sichtlich zuneigt) sei unisono ein Zeugnis seines Lebens und Schreibens, ist falsch. Auch wenn Kafka viele Passagen aus Brief und Tagebuch in seine Erzähltexte übernommen hat und umgekehrt, so hat er doch genau unterschieden zwischen solchen Texten, die zur Publikation geeignet sein könnten (auch wenn er für sich selber diese Eignung zumeist bestritten hat), und solchen Texten, die alltäglichen, privaten Zwecken dienten.

Max Brod, dessen philologische Genauigkeit manchmal zu wünschen übrig ließ, hat sehr richtig gehandelt, als er aus dem Nachlass die eigenständigen Prosastücke herauspflückte. Anders würden wir viele Texte, die wir mit gutem Grund für Kafka-Erzählungen halten, gar nicht kennen. Wir müssen die maßlosen Angriffe, die die Herausgeber der Stroemfeld-Ausgabe gegen die Herausgeber der Kafka-Ausgabe des S. Fischer Verlags geführt haben, nicht rekapitulieren, um zu sehen, dass beide Ausgaben ihr Recht haben. Die eine (S. Fischer) bringt uns lesbare Texte, die andere (Stroemfeld) zeigt uns die Werkstatt. Wir dürfen froh sein, dass es sie gibt, wir dürfen dankbar sein, dass Reiner Stach dieses Lebenswerk auf sich genommen hat und nimmt.

All das erklärt uns viel, aber das Letzte bleibt unerklärt. Josef K. nämlich, in seinem Gespräch mit dem Gefängniskaplan, empfindet zunehmend bittere Gefühle und macht sich Luft in dem empörten Satz: »Die Lüge wird zur Weltordnung gemacht.« Der Geistliche aber antwortet kalt und trocken: »Die Schrift ist unveränderlich, und die Meinungen sind oft nur ein Ausdruck der Verzweiflung darüber.« Das gilt auch für Kafkas Texte, wobei wir hinzufügen müssen, dass Verzweiflung oft nur ein Ausdruck ist für die nicht nachlassende Anziehungskraft von Kafkas Werk.

Es müssen hier aber noch zwei Veteranen der Kafka-Forschung erwähnt werden. Der eine ist Klaus Wagenbach, nunmehr so gut wie 78 Jahre alt, der nicht nur als Verleger in die Geschichte eingehen wird, sondern auch als Enthusiast und Sammler in Sachen Kafka. Von seinen diesbezüglichen Verdiensten und Veröffentlichungen sei nur seine neu aufgelegte Monografie erwähnt (Wagenbach Verlag 2008), die reiches, von ihm selber recherchiertes und aufgefundenes Bildmaterial enthält.

Hartmut Binder schließlich, auch er schon über 70, hat sich seit rund 30 Jahren verdient gemacht, indem er jeden noch so scheinbar abseitigen Weg zu Kafka beschritten und aufs Gründlichste ausgeforscht hat. Es ist leicht, über diesen Positivismus zu spotten, aber alle, die je über Kafka publiziert haben, kamen früher oder später auf Hartmut Binder. Sein jüngstes Werk ist eine ausführlich kommentierte Bildersammlung über Kafka und alles, was damit zusammenhängt (Rowohlt Verlag 2008). Sie enthält vermutlich jedes nur auffindbare Dokument, und wäre Kafka, was er sich in manchen Augenblicken zum Ziel setzte, ein Familienvater geworden, so würde er sich über dieses Album freuen. Er ist es nicht geworden. Und von allen Mitgliedern seiner vielköpfigen Familie haben lediglich zwei Nichten das nationalsozialistische Ausrottungsprojekt überlebt.


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