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Ulrich Greiner

Melville und eine Reise dorthin
Für wahre Leser eine Sensation: Herman Melvilles Roman Mardi aus dem Jahr 1849 zum erstenmal auf deutsch

Immer wieder weinen die Krokodile über den traurigen Zustand der Gegenwartsliteratur. Wo sind die großen Themen, die großen Autoren, die großen Romane? Als versäumten die Dichter ihre Chronistenpflicht. Die Wiedervereinigung! Der Euro! Die Arbeitslosigkeit!

Wer so fragt und klagt, der findet ja nichts. Dabei sind die Regale der Bibliotheken und der Buchhandlungen voll der ungehobenen Schätze, und zuweilen gleicht die Literaturgeschichte einem Wrack am Meeresboden, aus dem verwegene Taucher die kostbarsten Fundstücke bergen.

Einer dieser Taucher trägt den unverfänglichen Namen Rainer G. Schmidt, und er hat uns Lesern ein ganzes Faß aus der Tiefe der Zeit emporgeholt, angefüllt mit Plunder und mit Gold, voller Weisheit und Gnade und Tiefsinn und Wahnsinn: Herman Melvilles grandiosen Roman Mardi und eine Reise dorthin. Sage und schreibe 148 Jahre nach seinem Schiffbruch taucht er wieder auf und erblickt zum erstenmal das Winterlicht der deutschen Leserschaft.

Ein Schiffbruch war es in der Tat. Rasch berühmt geworden mit seinen Südseegeschichten Typee (1846) und Omoo (1847) schrieb Melville Mardi, seinen ersten wirklichen Roman, sein erstes die Seiten (mehr als tausend in der Übersetzung) und die Zeiten sprengendes Werk, das sowohl die Kritiker als auch die Leser enttäuschte und überforderte. Dem Mißerfolg schickte Melville gleich einen zweiten hinterher: Moby-Dick (1851). Da war er gerade mal Anfang Dreißig. Da hatte er in fünf Jahren sechs dicke Bücher veröffentlicht. Er muß geschrieben haben wie der Teufel.

Mardi - ein solches Buch hat man noch nicht gesehen, ein Zauberkunststück, ein irrer und wirrer Faselteppich; Räuberpistole und Südseeromanze, philosophisch-theologischer Traktat und haltlose Humoreske. Die Lektüre gleicht einer Expedition in die Wildnis, wo Paradiese locken und Wüsteneien lauern, und die Reise dorthin erfordert. um es gleich zu sagen, Ausdauer und Langmut.

Melville hat es gewußt. Nach mehr als achthundert Seiten gesteht er: "Ich wurde von einem unwiderstehlichen Windstoß von meinen Kurs abgebracht. Dieser Anprall, dem ich mich beuge, trifft mich in allzu jungen Jahren, wo ich noch unerfahren und schlecht ausgerüstet bin; und dennoch fliege ich vor dem Sturm." Aber weit davon entfernt, zerknirscht zu sein, ruft Melville: "Hört, o Leser! Ich bin ohne Karte gereist. Mit Kompaß und Blei hätten wir diese Inseln von Mardi nicht gefunden. Wer kühn in See sticht, kappt alle Taue und wendet sich von der gewöhnlichen Brise ab, die jedermann gewogen ist; und füllt die Segel mit seinem eigenen Atem. Klebt man an der Küste, sieht man nichts Neues."

Gut gegeben! Und das in einem Augenblick, da sich der Leser wieder einmal die Augen reibt und fragt, wohin er da um Gottes willen geraten ist. Dabei hatte alles so harmlos, so vielversprechend begonnen. Der Ich-Erzähler, ein Seemann, befindet sich an Bord der "Arcturion", eines Walfangschiffes in der Südsee. Vom ersten Satz an ("Wir sind los. Die Untersegel und Toppsegel sind gesetzt, der korallenbehangene Anker baumelt vom Bug") reißt uns Melville mit der unerhörten Kraft seiner Sprache hinaus ins Offene, ins Grenzenlose des Ozeans, und wir treiben dahin mit dem Passat, hören das Lied der Fische, das Heulen der Stürme und erleben das Schlimmste: die Windstille: "Für einen unerfahrenen Seemann ist eine Windstille kein Scherz. Seine Stimme beginnt ihm seltsam und ominös zu werden. Er verspürt sie in sich wie etwas Hinuntergeschlucktes, das zu groß für seine Speiseröhre ist. Sie hält in ihm etwas wie ein unfreiwilliges inneres Summen aufrecht, gleich einem lebenden Käfer. Sogar die Hohlräume seiner Knochen sind wie wispernde Gänge. Doch stärker als alles andere ist sein Bewußtsein der äußersten Hilflosigkeit. Sein körperlicher Apparat, offenkundig zur Beweglichkeit ausgelegt, rastet ein, und er verharrt dort, wo ihn die Windstille zurückläßt. Selbst seine zweifelsohne verbrieften Rechte, inklusive seiner glorreichen Willensfreiheit, werden gleichsam null und nichtig."

So fahren sie dahin, aber Wale finden sie nicht. Da beschließt der Kapitän, die Arktis anzusteuern, um in der Gegend von Kamtschatka Blauwale zu suchen. Der Erzähler widersetzt sich dem Plan erfolglos und desertiert zusammen mit dem Seemann Jarl. In finsterer Nacht lassen sie ein Fangboot zu Wasser und fliehen westwärts. Nach langer Fahrt durch brütende Hitze stoßen sie auf ein führerlos dahintreibendes Schiff und finden an Bord Samoa (den Vorläufer des Queequeg aus Moby-Dick) und sein Weib Annatoo.

Hier stoppt der Roman zum erstenmal, denn Melville erzählt die Lebens- und Abenteuergeschichte der beiden Wilden, ein Seestück mit Stammesfehden. In sie wird das seltsame Quartett hineingezogen, als sie einer kriegerischen Schar von Insulanern begegnen, unter ihnen ein Priester, der das wunderschöne, hellhäutige Mädchen Yillah gefangen hält, um es seiner Gottheit zu opfern. Der Ich-Erzähler ersticht den Priester, befreit die Schöne, landet mit ihr auf der Insel Odo, wo er sich als Halbgott ausgibt und den Namen Taji erhält. Hier läßt er sich nieder, pflegt eine keusch geschilderte Zweisamkeit mit Yillah und eine schöne Männerfreundschaft mit König Media.

Das Paradies ist nicht von Dauer, auch auf ihm lastet die Erbsünde. Eines Tages verschwindet Yillah spurlos, und Taji macht sich auf die Suche nach ihr. Die Ermordung des Priesters verlangt Sühne, die Schuld holt Taji ein. Zu diesem Zeitpunkt befinden wir uns etwa auf Seite 300 des Romans, und jetzt geht es erst richtig los.

Was da losgeht, ist gleich mehreres. Einerseits eine Reise in den Weltraum des Möglichen. Die Einbildungskraft bringt Wirklichkeit hervor, und das Realistische kippt um ins Phantastische. König Media läßt es sich nicht nehmen, seinen Freund auf der Reise durch die Inselwelt Mardis zu begleiten. Gefolgt von dem Historiker Mohi, dem Poeten Yoomy und dem Philosophen Babbalanja besteigen sie drei Kanus, angefüllt mit Brot und Wein, entfernen sich immer mehr aus der wirklichen Welt und gleiten hinüber ins Reich der Allegorien.

Andererseits und zugleich macht Melville sämtliche Leinen des herkömmlichen Erzählens los und scheint sogar die anfängliche Konstruktion seiner Geschichte völlig zu vergessen. Der Ich-Erzähler verschwindet zugunsten Tajis, und auch der löst sich nach und nach in ein Phantom auf. Selbst die Suche nach Yillah wird als Motiv der Irrfahrten immer fadenscheiniger. Und die Bedenkenlosgkeit, mit der Melville sich unbrauchbar gewordener Personen entledigt (Annatoo wird über Bord gespült, Jarl ermordet), grenzt ans Unverschämte. Kein Wunder, daß die zeitgenössischen Kritiker diesen Spuk nicht mitmachen wollten.

Die Verstöße gegen Grundgesetze des literarischen Handwerks sind derart offenkundig, daß sie weder Zufall noch Unvermögen sein können, und derart massiv, daß sie eine neue Qualität schaffen. Melville bindet sich selber an diesen Roman wie an eine Rakete, zündet den Treibsatz und rauscht mit ihr durchs wilde Kurdistan seiner Phantasien und Philosophien.

In seiner aphoristischen Sammlung Windstriche bemerkt Paul Valery "bei Hugo, bei Mallarmé und bei einigen andern eine Neigung, nichtmenschliche und in gewisser Weise absolute Reden zu dichten - Reden, die einen an irgendein unpersönliches Wesen denken lassen - eine Gottheit der Sprache -, die die Allmacht der Gesamtheit der Wörter erleuchtet. Die Macht zu reden redet selber; redet und wird trunken, wird trunken und tanzt." Dieses betrunkene, selbstvergessene, tanzende Schreiben ist Melvilles Schicksal, und erst in Moby-Dick wird der Tanz zum gewissermaßen souveränen Exzeß, während Mardi noch den Charakter einer Suchbewegung und eines Selbstversuchs trägt.

Aber schon hier, schon jetzt, rund zehn Jahre vor den ersten Grashalmen des Walt Whitman, hebt Melville whitmanisch zu singen an: "Doch unter mir, am Äquator, pulst und hämmert die Erde wie das Herz eines Kriegers; bis ich nicht mehr weiß, ob dieses Pochen nicht doch von mir kommt. Und meine Seele versenkt sich in die Tiefen und erhebt sich zu den Himmeln; und wirbelt kometengleich durch solche grenzenlose Weiten, daß mich dünkt, alle Welten seien mir verwandt und ich beschwörte sie, auf ihrer Bahn zu bleiben." Und dann aber: "Meine Wange erbleicht, während ich diese Zeilen schreibe, ich erschrecke beim Kratzen meiner Feder. Die Adler, die ich ausgebrütet habe, verschlingen mich. Meine Gedanken schmettern mich nieder, bis ich wimmere."

Auf einer der Inseln, in der autoritären Diktatur des Königs Abrazza, ergeben sich die Reisenden einem langen Gelage. Sie trinken und philosophieren und ihre Gespräche haben jetzt die Form eines Sprechtheaters mit verteilten Rollen angenommen. Babbalanja erzählt vom den großen Dichter Lombardo (in dem wir Melville sehen dürfen) und sagt: "Wenn er schrieb, war er nicht sein eigener Herr, sondern bloß ein Gehilfe, der nach Diktat schrieb." Dem Einwand, das Werk Lombardos zerfalle in Episoden, stimmt er zu: "Und so ist auch Mardi selbst: nichts als Episoden."

Inzwischen befinden wir uns fast am Ende des Romans, und wir begreifen: Mardi ist die ganze Welt. Denn die Reisenden sind mit ihren Kanus bis nach England und zu den Vereinigten Staaten vorgedrungen, sie haben den südamerikanischen Kontinent umrundet, und bald werden sie Serenia erreichen, die Insel der Glücklichen und Rechtschaffenen. Dort wird Babbalanja zurückbleiben, geheilt von den Teufeln, die seine Seele zu übermannen drohten. Denn wie die Welt in Episoden zefällt, so zerfällt auch der Mensch in einzelne Teile, deren Zusammenhalt allzeit prekär scheint. Was heißt Ich? Babbalanja sagt: "In der Zeit eines Lebens führen wir hunderte Leben." Und er fügt hinzu: "Wir sind mit Geistern und Gespenstern angefüllt; wie in Totenäckern sind Leichen in uns vergraben, die in unserer Gegenwart zu leben anfangen: Alle unsere toten Ahnen stecken in uns, das ist ihre Unsterblichkeit."

Worin besteht, wenn es so ist, moralische Verantwortung? Was können wir für das Böse in uns? Bei Babbalanja erscheint es als der Teufel Azzageddi: "In diesem meinem Körper sind ja Dutzende von Räumen an diesen unfaßbaren Fremden vermietet." Ismael, der Erzähler des Moby-Dick, macht sich, nachdem Kapitän Ahab seine Mannschaft auf den bedingungslosen Kampf gegen den weißen Wal eingeschworen hat, seine Gedanken über Ahab: "Sein Wahnsinn stürmte an gegen seine gesunden geistigen Kräfte, überwältigte sie und richtete ihr zusammengefaßtes Geschützfeuer auf sein eigenes verrücktes Ziel, wodurch er, weit davon entfernt, seine Kraft verloren zu haben, zu diesem Zweck nun tausendfach mehr Macht besaß, als er bei gesundem Verstand jemals für ein vernünftiges Unternehmen aufgebracht hätte." Sind die Wahnsinnigen des 20. Jahrhunderts je genauer beschrieben worden als hier vor 150 Jahren? Und am Ende dieses 41.Kapitels von Moby-Dick rätselt Ismael über die Abgründe der menschlichen Seele: "Wie vermag man zu sagen, wohin mit dem immerfort wechselnden, dumpf klingenden Pochen seiner Haue der unterirdische Bergmann, der in uns allen am Werk ist, seinen Schacht treibt?"

Diese Frage hat Melville nie losgelassen. Die anfangs ausgelassene, später immer ernster und dunkler werdende Bootspartie des Königs Media und seiner Gesellen diskutiert sie auf den Paddelstrecken zwischen den Inseln, und die Inseln sind nichts anderes als wechselnde Manifestationen desselben Problems: Wie zähmt man das Böse, und worin besteht es? Wie also sollen Menschen miteinander leben? Da gibt es Valapee, die Insel der Gesetzlosen; Maramma, die Insel des religiösen Fundamentalismus, der Bigotterie und der Priesterherrschaft; Willamilla, eine Insel der Zeit- und Weltlosigkeit, die tödliche Langeweile gebiert. Deren König Donjalolo, dem ein altes Gesetz verbietet, sein Reich zu verlassen, haust in einem wundersamen Paradies der immer schon erfüllten Wünsche, wo für jede Lust, ob nach Frauen oder nach Wein, Vorsorge getroffen ist. Und doch quält ihn die Frage nach dem, was außerhalb seiner Welt existiert. So schickt er zwei Männer seines Vertrauens aus und hört ihren Bericht voller Zorn. Die Zeugen können sich nicht auf einen gemeinsamen Sachverhalt verständigen, ein jeder beschreibt, was er gesehen hat, anders.

Versuchsweise noch, aber schon mit insistierender Glut brennt Melville in Mardi auf die Beantwortung jener Frage, die er in seiner schönsten und fürchterlichsten Novelle, in Billy Budd, geschrieben kurz vor seinem Tod 1891, erschienen erst 1924, noch einmal bezwingend gestellt hat. Warum ist "Baby" Budd, die schöne, bezaubernde Unschuld, so arglos und dumm? Und Claggart, der Zerbrochene, der Intelligente, so böse? Und was bedeutet das für die Formen und Regeln menschlichen Zusammenlebens? Mit der Antwort quält sich nicht allein Kapitän Vere, der Billy Budd am besten versteht und dessen Hinrichtung am entschiedensten betreibt, mit der Antwort quält sich seitdem die Moderne.

Was sich in dieser Novelle in drei knappen Sätzen verdichtet: "Wer könnte wohl in einem Regenbogen genau die Linie angeben, wo das Violett aufhört und das Orange beginnt? Wir sehen zwar deutlich die verschiedenen Farben, aber nicht den genauen Ort, wo die eine in die andere übergeht. So ist es auch mit Vernunft und Wahnsinn" - dieses Fatum, mit dem unser Jahrhundert geschlagen ist wie kein anderes, erscheint in Mardi noch auf der Breitwand des rhapsodischen Gesangs, dargestellt mit dem muskulösen, weit ausgreifenden, energiegeladenen Schritt eines durchaus amerikanischen Optimismus.

In ihrer ebenso glanzvollen wie scharfsinnigen Betrachtung von Mardi (FAZ vom 14.10.1997) hat die Schriftstellerin Brigitte Kronauer den jungen Melville als den vorausahnenden Dichter der Moderne beschrieben, der die kommenden Ambivalenzen nachtscharf in den Blick faßt. Vielleicht sollte man diese Beobachtung durch den Hinweis auf Melvilles Tonart ergänzen. Selbst in seiner düstersten, auf Kafka vorausweisenden Novelle Bartleby findet sich jener seltsam strahlende Dur-Klang, der den tristen Befund in ein gläsernes Licht taucht. In Mardi ist dieser Klang noch jugendlich orchestral und reich instrumentiert, bis hin zum grotesk Überbesetzten, sozusagen Berliozhaften.

Und dieser Klang schließt alles ein: die Satire und die entlarvende Allegorie, den Schwank, den Kalauer, den politischen Witz. Als die Reisenden endlich Vivenza erreichen (Nordamerika vor dem Bürgerkrieg), werden sie am Strand von einer "unbändig lärmenden Menge" begrüßt. "Woher kommt ihr? Wohin wollt ihr? Habt ihr je solch ein Land wie dieses gesehen? Ist das nicht eine riesige Republik? Schaut bitte, wie groß wir sind; betastet unsere Schenkel; sind wir nicht ein herrliches Volk? Schwört, daß dieses Land alle anderen überragt." Bei aller Liebe zu Amerika: Dieser Spott sitzt noch immer.

Verschweigen wir nicht, bevor uns der Enthusiasmus übermannt, daß Mardi unübersehbare Schwächen hat, deren Größe allein uns versöhnlich stimmt. Auf mancher Strecke dieses wundersamen Werks herrscht jene entsetzliche Windstille, die Melville eingangs beschreibt. Das Tausend-Seiten-Ding ist monströs. Das Übermaß der zeithistorischen Anspielungen und Gelehrsamkeiten (die der von Rainer G. Schmidt besorgte Anmerkungsapparat sorgfältig entschlüsselt) nervt nicht selten. Und natürlich ist Melville, wenn man eine an Thomas Mann geschulte Germanisten-Ästhetik bemüht, in Mardi vollkommen gescheitert.

Dieses Scheitern aber ist sehr viel spannender als jenes mittlere Gelingen, dessen Zeugen wir allzuoft sind. Denn es bezeugt ein Scheitern, das Signum der Moderne ist. Vollkommener ist Melville nur in Moby-Dick gescheitert. Und gescheitert sind Kafka, Musil, Jahnn, Poe und einige andere der Großen. Und wer könnte, nach grauem Toben des Meeres und kräftezehrenden Stürmen, einen solchen Sonnenaufgang beschreiben: "Es war eine lange Schlachtreihe von Bergzinnen. Hoch im Osten waren diese tausend Gipfel mit ihren Schilden postiert und stemmten sich gegen die Morgendämmerung. Gegen diese schroffen, purpurnen Bastionen schleuderte Aurora lange Zeit ihre Lichtspeere und ihre goldenen Geschosse. Die Aufforderung zur Übergabe verklingt. Aber jetzt erstürmen die Lanzenwerfer der Sonne die Steilhänge und bringen den Kamm zum Erglühen."

Am Ende aber, vor seiner Rettung, fällt Babbalanja in ein großes, furchtbares Lachen, welches den gastgebenden König dazu bewegt, nach den Wachen zu rufen: "Das kommt davon, wenn man einen zaghaften Trinker an der Tafel hat. Wir müssen ihn hinauswerfen".

Am Ende, da die übrigen den Frieden in Serenia suchen und der König Mardi heim ins Reich kehrt, wo ihn eine Revolte erwartet, taucht Taji wieder auf, am Ende meldet sich der Erzähler wieder zu Wort. Die schöne Yillah verzerrt sich zur ambivalenten Utopie, deren Deutung die machtbewußte und sinnenfrohe Königin Hautia überwacht. Und Taji widersteht den Verlockungen eines voreiligen Friedens. Er ist eine andere Ausgeburt jenes entfesselten Individualismus, den Kapitän Ahab, Herausforderer Gottes und der Welt, darstellt. Die Freunde warnen Taji. "Doch ich war unbeirrt wie ein Fatum." Er macht sich auf den Weg in den Hades. Er gibt die Jagd nach Yillah nicht auf, weil Ruhe nicht sein kann in einer rasenden Zeit. Die letzten Sätze lauten: "Der Ozean schäumte so hoch, daß er die Wolken peitschte. Und geradewegs in meiner weißen Kielspur jagte ein Boot dahin, über dessen Bug sich drei starre Gespenster beugten - sie wogen drei Pfeile in ihren Bögen. Und so flogen Verfolgter und Verfolger weiter über eine endlose See."

Schande über das Haupt jener großen Verlage, die Rainer G. Schmidts Melville-Projekt nicht realisieren wollten, und Gratulation für die kleine Achilla Presse, die das Unternehmen gewagt hat. Rainer G. Schmidts Übersetzung ist glänzend, die Ausstattung der beiden Bände ist schön, und hätte der Verlag einen weiteren Korrekturgang veranlaßt, so hätten Dutzende von Druckfehlern beseitigt werden können.

Hermann Melville: Mardi und eine Reise dorthin. Übersetzt und kommentiert von Rainer G. Schmidt. Deutsche Erstausgabe. Achilla Presse Verlagsbuchhandlung, Bremen/Hamburg 1997. Zwei Bände, zusammen 1078 Seiten


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